Bartsch, Carina -  Niemannswelt – Als ich mich verlor, habe ich dich gefunden

Wir schreiben das Jahr 2196. Die Welt ist anders als wir die kennen. Die Gesellschaft besteht nur aus Frauen. Nach der Apokalypse sind die Männer ausgestorben, und die Gesellschaft hat sich gewandelt. Doch im Laufe der Geschichte wird es klar, dass es durchaus noch "Exemplare" von männlicher Rasse gibt. Die werden als Forschungsobjekte betrachtet, und leben in Gefangenschaft. Außerdem gibt es eine genveränderte männliche Spezies, die der Befruchtung dient, um einen Fortbestand der Menschheit, in dem Falle, Frauen, zu gewährleisten. Die Frauen, die zu dieser Zeit leben, habe die Gewalt eliminiert. Alles ist dem Wohlergehen und dem Fortschritt gewidmet. Eine friedliche Gemeinschaft, die sich bewährt hat. Zoe, die Hauptprotagonistin des Romans, ist eine Professorin in dem Bereich der männlichen Psychologie. Sie wird aufgefordert, das letzte Exemplar zu erforschen...

Eine großartige Idee zu einem Dystopie-Roman. In diesem Genre bin ich zu Hause und lese alles, was in diese Richtung geht. Das Buch von Carina Bartsch ist gut gelungen, und ich möchte gleich sagen, dass es interessant zu lesen war. 

Was mir positiv bei der Autorin aufgefallen ist, ist die Fähigkeit, die Charaktere vielschichtig und reich an Tiefe zu gestalten. Die Beobachtung als Leser über die Entwicklung, Handlung, Gedanken und Gefühle, erwies sich als interessant und spannend. Der Auftakt einer neuen Dystopie Reihe fand ich gelungen und werde auch die Fortsetzung lesen.

McCann, Colum/Foley, Diane - American Mother

  Das neue Buch von Colum McCann, einem sehr fähigen und empfehlenswerten Autor, hat er mit Diane Foley geschrieben. In diesem Zeitdokument geht es um eine bemerkenswerte Frau, die ihren Sohn Jim, wie sie ihn nennt, einen freiberuflichen Journalisten, der 2014 bestialisch von der IS ermordet worden ist, verloren hat. James Foley wurde bei seiner Reise nach Syrien von IS gefangen genommen, Freiheit beraubt, gefoltert und anschließend enthauptet. Wovon ein Beweisvideo existiert. Erschreckend und unfassbar macht es den Leser, wenn man bedenkt, was in einer Mutter vorgeht, die solche schrecklichen Bilder von der Ermordung ihres eigenen Kindes sieht. Doch nicht nur die tragische Geschichte eines Reporters ist das Thema dieses Buchs. 

Diana Foley nimmt den Leser mit auf die Reise, die von Trauer, Gewalt und der Frage nach Vergebung geprägt ist. 2021 sucht die Mutter von James Foley, im Gefängnis einen Mann namens Alexanda Kotey auf. Dieses Treffen wurde sorgfältig geplant und wird von Anwälten beiderseits verfolgt. Alexanda Kotey bekannte sich der Entführung, der Folter und Ermordung des Journalisten James Foley schuldig. Doch er betont, seine Schuld ist nach dem amerikanischen Recht zutreffend. Er habe aus religiösen Überzeugung gehandelt und befand sich, so zu sagen, im Krieg, in dem er Befehle ausgeführt hat. Diane Foley geht den schwierigen Weg: Sie will den Mörder ihres Sohnes verstehen. Ein sehr schwieriger und beinahe kaum vorstellbarer Gespräch, der dem Leser präsentiert wird. Eine bemerkenswerte Frau, die innere Kraft besitzt, dem Mörder seines Sohnes am Ende des Gesprächs die Hand zu schütteln. Nicht alle Leser können ihre Haltung verstehen. Ein Racheakt oder das Bedürfnis danach, wäre evtl. eher nachzuvollziehen. In zweitem Teil des Buchs nehmen die Autoren den Leser in die Vergangenheit mit. Der Mensch James Foley, ein wahrheitsliebender Reporter, wird dem Leser vorgestellt. 


Ein schwieriges Buch, das verkraftet werden muss. Doch ich rechne der Mutter Diane Foley ihr Anliegen, die Geschichte an den Leser zu bringen, hoch an. Es ist eine Geschichte der Vergebung, Trauer und absoluten Fassungslosigkeit in Bezug auf die unmenschliche Gewalt. Es ist ein Buch, bei dem man innehält. Der Roman ist in einer nüchternen, sachlichen Sprache erzählt, wo man die Distanzierung zu dem Geschehenen spürt. Anders wäre dieses Buch wohl nicht entstanden. Denn es ist kaum zu ertragen, was geschehen ist. Als Leser kann man diese Haltung sehr gut nachvollziehen. Bemerkenswerte Frau und eine bewundernswerte Art, mit so einer rohen, unbegreiflichen Gewalt umzugehen. Der Roman erinnert mehr an einen Dokumentarbericht. Als ein Wahrheitszeugnis sollte man dieses Buch auch betrachten. Ob man dies liest, muss jeder selbst entscheiden, ich bin für die Einblicke in das Leben von Diana und James Foley dankbar.