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Eugen Ruge - Pompeji oder Die fünf Reden des Jowna

Über den Autor:

 Eugen Ruge wurde 1954 in Soswa (Nordural) geboren und kam 1956 mit seinen Eltern nach Ost-Berlin. Als diplomierter Mathematiker arbeitete er von 1980 bis 1985 am Zentralinstitut für Physik der Erde an der Akademie der Wissenschaften der DDR. Dann begann er zu schreiben, zunächst vorwiegend Theaterstücke und Hörspiele, und Anfang 1989 folgte die Flucht in die Bundesrepublik. 2011 veröffentlichte er den mit dem Döblin-Preis, dem Deutschen Buchpreis und dem Aspekte-Literaturpreis ausgezeichneten Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“, später erschienen "Cabo de Gata", „Follower“ und, 2019, der Roman „Metropol“. Er lebt in Berlin und auf Rügen.
 Kurzbeschreibung:

 Als auf einem Berg oberhalb der Stadt Pompeji tote Vögel gefunden werden, hat der Einwanderer Jowna eine Eingebung: Wenn da wirklich ein Vulkan grollt, wie von manchen behauptet wird, dann muss man das Weite suchen. Ohne Schulbildung, Geld und Einfluss gelingt es ihm, sich an die Spitze einer Aussteigerbewegung zu setzen. Bald fürchtet das Stadtoberhaupt Fabius Rufus, die Vulkangerüchte könnten Pompeji schaden, aber erst als auch einer der reichen Bürger auf die Gefahr etwas zu geben scheint, schaltet sich Livia ein, die mächtigste Frau der Stadt. Jowna schwenkt um. Die Katastrophe vor Augen, tut er – nichts. Eugen Ruges Pompeji ist eine Erfindung, die auf historischer Wahrheit beruht: ein ferner Spiegel, in dem wir uns erkennen.

Meine Gedanken zu dem Roman:

Der neue Roman von Eugen Ruge ist eine großartige Leistung. Gleich zum Anfang wird es dem Leser deutlich, dass diese Geschichte weniger den Anspruch eines historischen Romans der Historie willen darstellt. Es ist eine Satire, eine Parabel, eine Parodie, ein Spiegel der Gesellschaft. Ohne dies direkt anzusprechen, erkennt der Leser in dem Roman die heutige Gesellschaft. Die politische und soziale Situation der modernen Welt wird auf die Schippe genommen in einem gekonnten Vergleich mit der politischen Situation der antiken Zeit.  

Die Rahmenbedingung bildet die Situation in der Stadt Pompeji kurz vor dem Vulkanausbruch. Josse, der Hauptdarsteller dieses Romans, wird durch eine glückliche Fügung zu dem Anführer einer Gruppe, die man auch als Sekte bezeichnen kann, ganz ohne Ausbildung und Erfahrung als Führungskraft. Die Rolle von Josse ist hervorragend. Mit großem Genuss verfolgt man den Weg dieser Person. Was er erreicht, an welchen Entscheidungen er teilnimmt ... unglaublich, und doch sehr real. Mit großem Genuss habe ich die Reden gelauscht, die in dem Roman gehalten worden sind. Die Ideen und Einsichten von Epikureer, Platoniker, Pythagoreer und anderen Vertreter der verschiedenen philosophischen Richtungen fand ich besonders unterhaltsam. 

Bei diesem Roman habe ich meine neu entdeckte Art des Genuss angewandt. Ich habe das Buch sowohl gelesen als auch das Hörbuch gehört. Ich finde diese Erfahrung unglaublich intensiv, denn durch das Zuhören der Stimme des Sprechers, werden ganz andere inneren Bilder aktiviert, als nur beim Lesen allein. Vorgetragen wurde das Buch von Ulrich Noethen, einem bekannten und geliebten Sprecher. Auch hier war seine Stimme wundervoll passend. Das Hörbuch erschien im Argon Verlag und Lesedauer beträgt über 10 Stunden. 

Raffiniert, klug und mit feinem Humor wird diese Geschichte erzählt. Von mir gibt es 4 Sterne und eine Empfehlung an Interessierten.


 

 Faktor, Jan - Trottel

 Über den Autor:

Jan Faktor, 1951 in Prag geboren, 1978 Übersiedlung nach Ostberlin. Arbeit als Kinder­gärtner und Schlosser. Entdeckt in den 80er-Jahren das »Rückläufige Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache« für die experimentelle Dichtung. Bis 1989 fast ausschließlich in der inoffiziellen Literatur­szene engagiert. 1989/90 Mitbegründer der Zeitung des Neuen Forums.

Kurzbeschreibung:

Mit »Trottel« ist Jan Faktor ein wunderbar verspielter, funkelnder, immer wieder auch düsterer, anarchischer Schelmenroman gelungen.

Im Mittelpunkt: ein eigensinniger Erzähler, Schriftsteller, gebürtiger Tscheche und begnadeter Trottel, und die Erinnerung an ein Leben, in dem immer alles anders kam, als gedacht. Und so durchzieht diesen Rückblick von Beginn an auch eine dunkle Spur: die des »engelhaften« Sohnes, der mit dreiunddreißig Jahren den Suizid wählen und dessen früher Tod alles aus den Angeln heben wird.

Ihren Anfang nimmt die Geschichte des Trottels dabei in Prag, nach dem sowjetischen Einmarsch. Auf den Rat einer Tante hin studiert der Jungtrottel Informatik, hält aber nicht lange durch. Dafür macht er erste groteske Erfahrungen mit der Liebe, langweilt sich in einem Büro für Lügenstatistiken und fährt schließlich Armeebrötchen aus. Nach einer denkwürdigen Begegnung mit der »Teutonenhorde«, zu der auch seine spätere Frau gehört, »emigriert« er nach Ostberlin, taucht ein in die schräge, politische Undergroundszene vom Prenzlauer Berg, gründet eine Familie, stattet seine besetzte Wohnung gegen alle Regeln der Kunst mit einer Badewanne aus, wundert sich über die »ideologisch morphinisierte« DDR, die Wende und entdeckt schließlich seine Leidenschaft für Rammstein.

Meine Gedanken zu dem Roman:

Dieses Buch wurde für den Deutschen Buchpreis 2022 nominiert und stand auf der Shotlist. Das interessiert mich immer.

Außerdem habe ich vor 13 Jahren "Schornstein" von Jan Faktor gelesen, das mir sehr gut gefallen hat und das ich bei der Gelegenheit weiterempfehle.

Was die Kurzbeschreibung sehr trefflich vermerkt, ist, dass dieser Roman ein verspielter und eigensinniger ist. Was ich persönlich sehr schwierig finde, denn Humor und Satire ist so eine Sache, entweder passt es oder nicht. Außer den satirischen und ironischen Passagen hat der Autor natürlich auch sehr ernsten, düsteren und schwierigen Tatsachen angesprochen, doch die gingen in meinen Augen in dem lockeren, zum Teil provozierenden Erzählstil unter. Auf jeden Fall entwickelte sich bei mir kaum Empathie für den Trottel. Der lockere Umgang mit der Sprache sollte die humoristischen Aspekte der Reaktionen auf die Schicksalsschläge oder Lebensschwierigkeiten sein, doch mir hat die andauernde, abschweifende Kalauer nicht gefallen.

Als Leser nimmt man ganz deutlich wahr, dass der Hauptcharakter einiges erlebt hat und vom Schicksal gebeutelten ist, doch für mein Verhältnis, geht er zu spielerisch mit dem Thema um. Einerseits zolle ich Respekt seinem feuerwerkmäßigen Erzählstil und dem Gebrauch von seltenen, gehobenen und Fremdwörtern, andererseits mag ich es persönlich nicht, wenn man verspielt mit der Sprache umgeht. Dieser Roman ist definitiv nicht für jeden ein gefundener Schatz. Doch ich kenne einige Leser, die von der Lektüre begeistert sein könnten. Sprachliches Erlebnis ist das Buch auf jeden Fall.

Der Roman ist autobiografisch. Bei solcher Gegebenheit fällt es mir immer schwer eine schlechtere Bewertung auszusprechen, denn ich respektiere und achte die Erlebnisse und die Versuche diese zu verarbeiten. Doch mir fehlte die Ernsthaftigkeit. Man könnte den Roman von Jan Faktor experimentell nennen. Ein interessantes Leseerlebnis ist er auf jeden Fall.