Grünberg, Arnon - Gstaad

Der Roman "Gstaad" von dem niederländigschen Autor Arnon Grünberg ist bereits 2002 erschienen, doch erst jetzt wagte der Aufbau Verlag die Übersetzung ins Deutsche. Meiner Meinung nach eine sehr gute Entscheidung. 

Der Roman "Gstaad" ist auf keinen Fall ein Wohlfühlbuch, doch eine extrem intensive Leseerfahrung. An alle Leser, die sich von einer anspruchsvollen Lektüre nicht abschrecken lassen, würde ich das Buch empfehlen. 

Die Geschichte wird in den Medien häufig als ein Schelmenroman beschrieben, doch dies klingt in meinen Ohren zu harmlos für diese Ansammlung von Sünden und Untaten. Der Hauptprotagonist der Geschichte ist ein völlig gestörter Mensch, der sich im Erwachsenenalter als Hochstapler durch das Leben mogelt. Doch die Geschichte von François Lepeltier beginnt viel früher, und zwar mit seiner Geburt. Seine Kindheit hinterlässt beim Leser tiefe Spuren, ich muss zugeben, dass mein Geist sich zwischen Erschütterung und Ekel bewegt hat. Die Erziehung, oder besser gesagt, das fehlen eine Erziehung und die Erfahrungen in der Kindheit, wo der Autor auch von sexuellen Übergriffen nicht zurück schreckt, machten aus dem Protagonisten den Menschen, der er später war. Eine durch und durch nachvollziehbare Entwicklung. Ich muss zugeben, dass ich dem Hauptcharakter gegenüber, wie auch seiner Mutter, Mitgefühl empfand, denn in deren Welt ist die Vorstellung von Familie, Zuneigung, Liebe nur in einer pervertierten Form vorhanden. Das Lesen dieses Werks gestalltete sich nicht einfach, aus einem ganz einfachen Grund. Häufig wurde ich von Gefühlen übermahnt, zu morbid, zu eklig war für mich diese Geschichte. 

Doch in der erzählerischen Stärke unschlagbar. Man solle sich als Leser auf eine Lektüre einstellen, die einen gefühlsmässig fordert. Es ist ein radikales Buch, von dem ich sagen würde, es ist reine Provakation. Absolut lesenswert, doch man solle sich bereit machen für die dunklen, unschönen Seiten des Lebens.


 Polat, Yasmin - Im Prinzip ist alles okay


Diesem Roman wünsche ich mehr Leser.

In der Geschichte geht es um eine junge Frau von dreißig Jahren, die Mutter geworden ist, und von Selbstzweifel geplagt wird. Wie soll sie eine gute Mutter sein? Wie soll sie der Welt gerecht werden? Selbstzweifel und Wunsch nach Anerkennung machen das Leben von Myriam nicht leichter. Die Mutterschaft bringt die Protagonistin dazu, sich mit ihrer Kindheit

auseinanderzusetzen, denn sie leidet zu all den anderen Schwierigkeiten, die wohl die meisten Menschen betreffen können, noch an Depressionen. Die Therapie bewirkt, dass sie sich erinnert. Die Kindheit von dieser jungen Frau wurde von Gewalt in der Familie geprägt.

Als Leser hat man es nicht leicht. "Im Prinzip ist alles okay" ist weiß Gott, keine leichte Kost. Mit einer nüchternen Stimme erzählt die Autorin von schrecklichen Dingen, und wenn man sich in die Protagonistin einfühlt, was einem nicht schwer fällt, dann durchlebt der Leser eine Maße an negativen Emotionen. Der Leser leidet mit Myriam und wünscht sich, dass sie zurecht kommt und letztendlich sich von den belastenden Erlebnissen befreien kann. Nicht alles ist leicht nachzuvollziehen, doch bewegend ist der Roman auf jeden Fall.

Manche Kritiker meinen, dass die Geschichte trotz allem stellenweise humorvoll sei. Doch auf mich wirkte es nicht so. Hier und da ironisch, das stimmt, doch als humorvoll würde ich keine Szene in dem Buch bezeichnen. Der Roman hat eine große Wirkung, denn er erzählt von Dingen, die Wahr sind. Voll und ganz überzeugend. Ein aufwühlendes Debüt.


 Bernard, Caroline - Ich bin Frida

Als ein großer Fan der Künstlerin wollte ich den neuen Roman von Bestsellerautorin Caroline Bernard unbedingt lesen. Gleich vorweg, hier wird nicht die ganze Lebensgeschichte der Malerin erzählt, sondern nur ein Ausschnitt aus ihrem bewegten Leben. In diesem Roman geht es um die Anerkennung als Künstlerin, den Weg von Frida Kahlo in die Künstlerszene. Alles, was in dieser Phase ihres Lebens ereignet hat, wird von der Autorin detailliert, lebendig und emotional dargestellt. Es muss nicht gesagt werden, dass der Roman von Caroline Bernard gut recherchiert ist. An alle Interessierten, die sich mit diesem Lebensabschnitt der Künstlerin beschäftigen möchten, würde ich das Buch weiterempfehlen. Ich persönlich habe aus dem Roman kaum was Neues erfahren, denn ich hatte schon vorher biografische Romane über die großartige und mutige Frau gelesen. Dennoch hat mich die Geschichte, die sehr gut den Charakter und die Persönlichkeit von Frida Kahlo beleuchtet, gut unterhalten. Außerdem mag ich den Erzählstil der Autorin. Insgesamt eine gut gelungene Romanbiografie.


 Pribil, Nina - Husband Material: Gefährliche Leidenschaft

Bei dem vorliegenden Roman handelt es sich um eine erotische, leidenschaftliche Geschichte einer Begegnung mit einem Hang zu einem leichten Thriller. Die Hauptprotagonistin Olivia Green macht sich nach dem tragischen Tod ihrer berühmten Schwester, zu ihrem Haus an der britischen Nordseeküste, um die Angelegenheiten ihrer Schwester zu regeln. Obwohl die Schwestern sich nicht nahe standen und Olivia kaum etwas aus dem Leben ihrer Schwester kannte, nimmt sie die Tragödie ganz schön mit. Zusammen mit ihrer kleinen Tochter lässt sie sich im Haus der Schwester nieder. Ihr Start in diesem kleinen Ort ist holprig, denn die Einwohner treten ihr gegenüber feindselig auf. Gleich nach der Ankunft lernt sie Henry kennen, mit dem sie im Nachhinein eine erotische Beziehung verbindet.

Von der Kurzbeschreibung fand ich den Roman ansprechend und freute mich auf die spannende, erotische Geschichte. Die habe ich auch bekommen. Der Anfang der Story dauerte recht lange, und vom Sprachlichen her, ist der Roman keine literarische Höchstleistung, doch ich denke, bei dieser Art von Literatur, erwartet dies auch keiner. Die Spannung um ein Geheimnis wird erst spät in der Geschichte aufgebaut, erst bei 40 % der Story, kommen Thrillerelemente hinzu. Erotik und Leidenschaft spielen in dem Roman eine bedeutende Rolle und obwohl die Handlungen der Charaktere nicht immer nachvollziehbar waren, konnte ich diese doch verstehen. Diesen Roman würde ich an die Leser von erotischer Spannungsliteratur empfehlen.
 

 Dotan-Dreyfus, Tomer - Birobidschan

Zugegeben, auf dieses Buch war ich sehr neugierig. Ich schreibe selten was zu dem Cover, doch dieses in schwarzen Tönen, hat mich sehr angesprochen. Der Roman von Tomer Dotan-Dreyfus ist insgesamt gut gelungen. Man solle als Leser auf jeden Fall die Sprach der Erzählung loben, die ist lebendig und stellenweise poetisch. Doch die Geschichte lebt von den Charakteren, mit großer Liebe zu den Handlungspersonen zeichnet der Autor deren Leben auf. 

In dem Roman geht es um einen behaglichen, recht kleinen Ort, der im Laufe der Geschichte sich zu einem paradiesischen, beispielhaften entwickelt. Die kleine jüdische Gemeinde liegt im südlichen Teil im Osten von Russland an der Grenze mit China. Birobidschan wird von jüdischen Siedlern, die von Stalin dorthin geschickt worden sind, bewohnt. Er wollte eine jüdisch-sozialistische Autonomie mit diesem Ort schaffen, doch dieser Versuch ließ zum Wünschen übrig. Der Autor stellt jedoch Birobidschan als eine lebhafte, gut funktionierende Gemeinde da, in der es in erster Linie um ihre Bewohner geht. 

Der Roman ist sehr komplex und bietet mit den vielen Figuren, unterschiedlichen Berichtsebenen und zahlreichen Zeitsprüngen, eine Herausforderung für den Leser dar. Der Roman zeichnet sich auch durch den magischen Realismus aus, was mich persönlich eher weniger anspricht. Alles in allem eine gelungene Darstellung der jüdischen Gemeinde in Sowjetunion zu Stalins Zeit. Stellenweise jedoch etwas langatmig, dennoch empfehlenswert.




Pollak, Susanne - Klara spielt nicht mit


 Wer die Kurzbeschreibung zu diesem biografischen Roman liest, hat so gut, wie das Buch selbst gelesen. Außer dem Ende gibt die Kurzbeschreibung des Verlags den vollständigen Roman wieder. Leider, wie ich das fand. Denn für mich blieben kaum überraschenden Wendungen über. Die Hauptprotagonistin der Geschichte Klara wird in dem Roman von ihrer Geburt an begleitet. Der Leser erlebt ihres Erwachsenwerden und vor allem die Problematik, die das Mädchen oder besser gesagt, ihre Gesundheit mit sich bringt. Von Anfang an ist das Schicksal des Mädchens alles andere als einfach, doch in all der Tragik gelang es mir nicht ganz nachzuvollziehen, wie es zu dem dramatischen Ende kam. Auch sonst ließ mich der Roman bedauerlicherweise eher kalt, denn die Handlung, und dabei ging es um einigen Themen, die einem nahe gehen sollten, wie Krieg, Nachkriegszeit, Internierungslager, Juden Dasein unter Nazis, viel beschäftigten Eltern usw., war nicht eindringlich oder lebendig genug. Die Erzählung über das Leben einer Familie war durchaus interessant, doch leider fehlte die Spannung, sodass ich als Leserin wenig Interesse an dem Schicksal der Familie, und vor allem Klara hatte. Voran es liegen mag, mag ich nicht beurteilen, doch bei mir kam die Geschichte nicht in ihrer Ernsthaftigkeit und Gewichtigkeit an. Es hätte bewegender und emotionaler erzählt werden sollen, um das Geschehen einem Leser tatsächlich zugänglich zu machen. Ein durchschnittliches Leseerlebnis für mich. Möge ich mich irren, und die anderen Leser finden womöglich mehr Gefallen an dem tragischen, dramatischen Roman.

Scherzant, Sina - Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne

"Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne"  ist ein literarisches Debüt der Autorin. Gleich zu Beginn hat mich der Titel sehr neugierig gemacht. Nach der Kurzbeschreibung wusste ich, dass ich den Roman lesen möchte, denn Coming-Of-Age Romane sind bei mir willkommen. Und dies hier ist ein typischer Roman über das Erwachsenwerden. 

Die Hauptprotagonistin der Geschichte Katha ist eine von zwei Töchtern der Familie. Sie steht an der Schwelle des Erwachsenwerdens, wohingegen ihre Schwester Nadine noch zarte 8 Jahre alt ist. Katha fühlt sich seit ihrer Kindheit für ihre Lieben verantwortlich. Sei es die Eltern, die eine Krise nach der anderen durchleben, ohne diese zu meistern, sei es die kleine Schwester, die möglichst nichts von alledem mitbekommen soll. Ganz bewusst übernimmt die Katha die Verantwortung für vieles, auch für Dinge, für die sie noch klar viel zu jung ist. 

Am Beispiel dieser Familie zeigt die Autorin hervorragend die Vorgänge, die die Kinder betreffen können, wenn die Eltern sich nicht mehr lieben, scheiden lassen, in Trennung leben, neue Partner haben. Besonders die Eltern von Katha sind maßlos überfordert und um ehrlich zu sein, kümmern sich nicht um das Wohlergehen ihrer Kinder. 

Mit einer Präzision eines Menschen, der die Zusammenhänge gut erkennen kann und auch dem Leser bildlich aufzeichnen, berichtet die Autorin über das Leben der Mädchen, ihrer Mutter und Vater. Bei Lesen kann man nicht anders, als Mitgefühl mit Katha zu haben, denn viel zu früh muss das Mädchen die Bürde der Verantwortung tragen und eine Menge Traurigkeit einstecken. 

Der Debütroman ist meiner Meinung nach gut gelungen, auch wenn er hier und da mal kleine Längen aufweist. Ein berührendes, nachdenklich stimmendes Buch, das ich gerne an die Liebhaber der Coming-Of-Age Romane weiterempfehlen würde. Von mir gibt es 4 Sterne. 
 

 Haushofer, Marlen - Die Mansarde

Dieser Roman von Marlen Haushofer erschien zum ersten Mal 1969. Erst jetzt, Dank der Neuauflage und dem Verlag, bin ich dazu gekommen das Buch zu lesen. Das erzählerische Talent der Autorin ist unbestritten. Grandios erzählt sie eine Geschichte der Einsamkeit in einer Ehe. Nicht nur psychologisch tiefgreifend und präzise im Wortwahl, auch poetisch beschreibend, mit Liebe zum Detail lässt sich dieser kurze Roman sehen. Die Fähigkeiten der Autorin möchte ich feiern, denn ich schätze ihre Erzähltalent sehr. Es ist ein Genuss ihren Gedanken, Beschreibungen und Einsichten zu folgen. Die Geschichte wird in Ich Form erzählt, sodass der Leser sich gut in die Protagonistin, eine Ehefrau der späten Nachkriegszeit, versetzen kann. 

Doch das Thema interessierte mich leider nur wenig. Es geht um das Befinden einer Frau, die in ihrer Ehe sich einsam und unglücklich fühlt. Es gab einen Moment, der den Verlauf der Gemeinsamkeit der Eheleute beeinflusst hat. Wie so oft, auch in der Realität, lag es an der fehlenden Kommunikation. Jeder lebt sein Leben. Die Hauptprotogonistin versinkt in der eigenen Reflektionen, ihrem Unbehagen, ihrem Unglück. Sie seziert regelrecht ihr Seelenleben, und der Leser darf daran teilnehmen. 

Vielen Lesern würde die Geschichte sehr zusagen, denn diese kleine sozialpsychologische Studie einer Hausfrau, Ehefrau, die in ihrem Leben gefangen ist, sehr gut nachvollziebar ist. Der Zustand der Erzählerin ist besorgniserregend, dem Leser ist ihr seelisches Leben greifbar nah, doch die Frage ist, möchte man davon lesen? Ich würde sagen, dass dieser kurze Roman für viele ein Gewinn sein wird. Denn die erzählerische Qualitäten, wie auch die Fähigkeit psychologischen Tiefen aufzuzeigen, großartig sind.