Über die Autorin:
Liz Nugent, geboren
1967 in Dublin, hat für irische Radio- und Fernsehsender und für das
Theater geschrieben. Bereits ihr erster Roman Unravelling Oliver (dt.
»Die Sünden meiner Väter«), erschienen 2014, wurde ein großer Erfolg und
Crime Novel of the Year bei den Irish Book Awards. Auch ihre folgenden
Bücher Lying in Wait und Skin Deep wurden mit Preisen ausgezeichnet und
landeten auf den irischen Bestsellerlisten. Nugents Romane erscheinen in
fünfzehn Sprachen. Kleine Grausamkeiten erschien 2020 in Irland,
England und den USA und wurde von der New York Times sofort als einer
von sieben Most Recommended Thrillers of 2020 gelistet.
Kurzbeschreibung:
Drei
Brüder bei einer Beerdigung, einer von ihnen liegt im Sarg, betrauert
von seinen Geschwistern. Aber welcher? Und warum? Nur jeweils ein Jahr
sind die Drumm-Brüder William, Brian und Luke auseinander und doch
könnten sie unterschiedlicher nicht sein. William hat als Filmproduzent
Karriere gemacht und glaubt, ihm stehe einfach alles zu, Brian, der
mittlere Bruder, Lehrer und Künstleragent betätigt sich als wenig
selbstloser Friedensstifter, Luke, psychisch instabiles Nesthäkchen, ist
ein international gefeierter, sehr einsamer Popstar. Aber keiner von
ihnen ist der, der er zu sein scheint. Vom Tag ihrer Geburt an hat ihre
narzisstische, ziemlich abgefeimte Mutter die Brüder darauf abgerichtet,
um ihre Aufmerksamkeit zu buhlen. Sie spielen Spielchen, doch im Laufe
der Jahre werden diese Spiele – die kleinen Grausamkeiten – immer
unheimlicher, gnadenloser und gefährlicher. Toxisch geradezu, denn nur
zwei der Brüder werden überleben.
Meine Gedanken zu dem Roman:
Schon
von dem Roman "Die Sünden meiner Väter" war ich begeistert. Liz Nugent
ist eine großartige Erzählerin, die menschliche Abgründe kennt und
kleinste Nuancen der menschlichen Psyche treffend beschreiben kann. Mit
großem Vergnügen habe ich mich in die Lektüre von "Kleine Grausamkeiten"
vertieft, und wünschte mir, dass der Roman deutlich mehr Seiten als nur
400 hätte.
In dieser Geschichte von Liz Nugent geht um
eine disfunktionale Familie: Mutter, Vater und drei Söhne. Die
Geschichte nimmt ihren Anfang in den 80ern Jahren und erstreckt sich bis
zu der heutigen Zeit. Wir erleben die Kinder, Teenager, junge
Erwachsenen und schließlich gestandene Männer. Drei Kinder, die
unterschiedlicher nicht sein können. Jeder der Darsteller hat seine
klare Rolle in dieser Geschichte, mit all den Feinheiten, die eine
Person charakterisieren. Die Mutter der Jungs ist eine bekannte
Sängerin, Vater ein Briefträger, der älteste Sohn William, Mamas
Liebling wird ein erfolgreicher Produzent, der sich nicht gerade
ehrenhaft verhält, der mittlere Bruder Brian hat Schwierigkeiten wie in
beruflichen so auch in privaten Bereich, erfüllt die Rolle eines
Schlichters in der Familie und das jüngste Nesthäkchen, Luke wird
unerwarteterweise ein bekannter Popstar und sorgt für reichlich
Aufregung durch seine psychischen Probleme, Drogen und Alkoholsucht.
Selbstverständlich habe ich das hier kurz, zusammenfassend und
vereinfacht dargestellt. Die tatsächlichen Entwicklungen, Verstrickungen
und Wechselwirkungen der drei sind in dem Roman ausführlich und komplex
beschrieben.
Es war ein großer Genuss, dieses Buch zu
lesen. Selten finden sich solche fähigen Autoren, die mit so viel Liebe
zum Detail, mit so viel Gefühl und Können, die Charaktere beschreiben
und mit Leben erfüllen. Sowohl die Familienmitglieder als auch die
Nebencharaktere sind großartig gelungen, bildhaft und realistisch. Der
Aufbau diente der Intensität der Beschreibung: Der Roman ist auf drei
große Kapitel aufgeteilt, jeweils aus der Sicht von William, Brian und
Luke berichtend. So kann man sich in den jeweiligen Charakter versetzen
und aus seiner Sicht das Leben wahrzunehmen. Die Zeitangaben helfen dem
Leser, sich zurechtzufinden und mit dem jeweiligen Hauptdarsteller sein
Leben zu betrachten. Die Familie ist von Anfang an desolat, erstaunlich
grausam und unliebsam gehen die Mitglieder der Familie miteinander um.
Hier muss ich an den Titel denken, der ganz toll zu der Geschichte
passt. Der Roman ist voller kleiner und großen Grausamkeiten, die die
Personen einander zufügen.
Dieser Roman ist ein großartiges
Psychogramm einer Familie. Sehr intensiv erzählt, fesselnd und stets
zuspitzend auf das Ende bewegend. Gleichermaßen berührend, abstoßend und
abscheulich. Eine Tragödie mit tiefen psychologischen Gang, ein
Sezieren der Charaktere. Sehr zu empfehlen. Für mich ist der Roman ein
Jahreshighlight, dem ich gerne die Höchstwertung von 5 Sternen vergebe.