Faktor, Jan - Trottel
Über den Autor: Jan Faktor, 1951 in Prag
geboren, 1978 Übersiedlung nach Ostberlin. Arbeit als Kindergärtner und
Schlosser. Entdeckt in den 80er-Jahren das »Rückläufige Wörterbuch der
deutschen Gegenwartssprache« für die experimentelle Dichtung. Bis 1989
fast ausschließlich in der inoffiziellen Literaturszene engagiert.
1989/90 Mitbegründer der Zeitung des Neuen Forums.
Kurzbeschreibung:
Mit
»Trottel« ist Jan Faktor ein wunderbar verspielter, funkelnder, immer
wieder auch düsterer, anarchischer Schelmenroman gelungen.
Im
Mittelpunkt: ein eigensinniger Erzähler, Schriftsteller, gebürtiger
Tscheche und begnadeter Trottel, und die Erinnerung an ein Leben, in dem
immer alles anders kam, als gedacht. Und so durchzieht diesen Rückblick
von Beginn an auch eine dunkle Spur: die des »engelhaften« Sohnes, der
mit dreiunddreißig Jahren den Suizid wählen und dessen früher Tod alles
aus den Angeln heben wird.
Ihren Anfang nimmt die Geschichte des
Trottels dabei in Prag, nach dem sowjetischen Einmarsch. Auf den Rat
einer Tante hin studiert der Jungtrottel Informatik, hält aber nicht
lange durch. Dafür macht er erste groteske Erfahrungen mit der Liebe,
langweilt sich in einem Büro für Lügenstatistiken und fährt schließlich
Armeebrötchen aus. Nach einer denkwürdigen Begegnung mit der
»Teutonenhorde«, zu der auch seine spätere Frau gehört, »emigriert« er
nach Ostberlin, taucht ein in die schräge, politische Undergroundszene
vom Prenzlauer Berg, gründet eine Familie, stattet seine besetzte
Wohnung gegen alle Regeln der Kunst mit einer Badewanne aus, wundert
sich über die »ideologisch morphinisierte« DDR, die Wende und entdeckt
schließlich seine Leidenschaft für Rammstein.
Meine Gedanken zu dem Roman:
Dieses Buch wurde für den Deutschen Buchpreis 2022 nominiert und stand auf der Shotlist. Das interessiert mich immer.
Außerdem habe ich vor 13 Jahren "Schornstein" von Jan Faktor gelesen, das mir sehr gut gefallen hat und das ich bei der Gelegenheit weiterempfehle.
Was
die Kurzbeschreibung sehr trefflich vermerkt, ist, dass dieser Roman
ein verspielter und eigensinniger ist. Was ich persönlich sehr schwierig
finde, denn Humor und Satire ist so eine Sache, entweder passt es oder
nicht. Außer den satirischen und ironischen Passagen hat der Autor
natürlich auch sehr ernsten, düsteren und schwierigen Tatsachen
angesprochen, doch die gingen in meinen Augen in dem lockeren, zum Teil
provozierenden Erzählstil unter. Auf jeden Fall entwickelte sich bei mir
kaum Empathie für den Trottel. Der lockere Umgang mit der Sprache
sollte die humoristischen Aspekte der Reaktionen auf die
Schicksalsschläge oder Lebensschwierigkeiten sein, doch mir hat die
andauernde, abschweifende Kalauer nicht gefallen.
Als
Leser nimmt man ganz deutlich wahr, dass der Hauptcharakter einiges
erlebt hat und vom Schicksal gebeutelten ist, doch für mein Verhältnis,
geht er zu spielerisch mit dem Thema um. Einerseits zolle ich Respekt
seinem feuerwerkmäßigen Erzählstil und dem Gebrauch von seltenen,
gehobenen und Fremdwörtern, andererseits mag ich es persönlich nicht,
wenn man verspielt mit der Sprache umgeht. Dieser Roman ist definitiv
nicht für jeden ein gefundener Schatz. Doch ich kenne einige Leser, die
von der Lektüre begeistert sein könnten. Sprachliches Erlebnis ist das
Buch auf jeden Fall.
Der Roman ist autobiografisch. Bei
solcher Gegebenheit fällt es mir immer schwer eine schlechtere
Bewertung auszusprechen, denn ich respektiere und achte die Erlebnisse
und die Versuche diese zu verarbeiten. Doch mir fehlte die
Ernsthaftigkeit. Man könnte den Roman von Jan Faktor experimentell
nennen. Ein interessantes Leseerlebnis ist er auf jeden Fall.