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 Necari Öziri - Vatermal

Über den Autor:

Necati Öziri, geboren in einer der vielen grauen Ecken des Ruhrgebiets, hat Philosophie, Germanistik und Neue Deutsche Literatur in Bochum, Istanbul und Berlin studiert. Er lebt in Berlin sein drittes Leben, schreibt, macht Theater und manchmal einen auf Intelelli, wofür ihm sein sechzehnjähriges Ich wahrscheinlich eine Schelle verpassen würde. Öziri unterrichtete an der Ruhr-Universität Bochum formale Logik, bis er feststellte, dass Logik die Welt nicht besonders gut beschreibt.

Kurzbeschreibung:

Necati Öziri schreibt eine Familiengeschichte über einen Sohn, eine Mutter und eine Schwester, deren Leben und Körper gezeichnet sind von sozialen und politischen Umständen. Und er schreibt über einen abwesenden Vater. Ein Roman von radikaler Wahrheit, Wut, Kraft, Liebe und Sehnsucht.

Meine Gedanken zu dem Roman:

Allem voran beginnt der Autor mit einem Zitat von Christa Wolf: Ich mache die Schmerzprobe. Wie der Arzt, um zu prüfen, ob es abgestorben ist... ein Glied ansticht, so stech ich mein Gedächtnis an.

So wird man als Leser schon in die Traurigkeit des Romans eingeführt.

Auch die Geschichte selbst beginnt bedrückend, denn der Hauptprotagonist des Romans, Literaturstudent Arda Kaya liegt im Sterben, er leidet an Organversagen. Ein Brief, in dem er sich an einen abwesenden Vater wendet, bildet den Anfang dieser emotionalen Story:

„Du sollst wissen, wer ich gewesen bin. Damit du niemals die Erleichterung fühlst, von der ich so oft heimlich träumte: von einem Toten angeschwiegen zu werden. Ich möchte dir für immer die Möglichkeit nehmen, nicht zu wissen, wer ich war. Ich werde von mir erzählen, aber ich werde permanent lügen. Nichts stimmt, und doch ist jedes Wort wahr.“

Es geht um die Familie Kaya. Die Eltern sind Migranten aus der Türkei, die nach einem heftigen Erdbeben ihr Heimatland verließen und sich eine neue Existenz in Deutschland aufbauten. Die Kinder sind Einwanderer der dritten Generation.

Das Hauptthema des berührenden Romans ist das Fehlen eines Vaters im Leben von Arda Kaya und das Zurechtfinden in einem Land, in dem man zwar geboren worden ist, doch nicht gänzlich verbunden ist. Der Vater von Arda verließ die Mutter, als die, mit dem Arda schwanger war. Er kehrte zurück nach Türkei. Seitdem versucht die überforderte, seelisch instabile Mutter Ümran die drei Kinder allein großzuziehen, was natürlich zahlreiche Probleme mit sich bring. Doch in der Geschichte geht es nur nebensächlich um die alltägliche Problematik einer Migrantenfamilie. Hauptaugenmerk richtet sich auf das Leben ohne Vater. Dabei erinnert sich Arda an sein Leben, seine Kindheit beim abwesenden Vater und nebenbei läuft die Geschichte seiner Schwester, die nicht weniger trauriger stimmt, denn das Mädchen wurde von der Mutter nicht fair behandelt, es gab zahlreiche Konflikte, bis Aylin irgendwann in einer Pflegefamilie landet. Auch Aylin hat viel zu berichten aus ihrer Erinnerungen.

Der Ton des Romans ist ruhig, beschreibend, stellenweise poetisch, bis zu blumig. Insgesamt lässt sich die Geschichte sehr gut lesen. Es gibt zahlreiche Dialoge zwischen den Beteiligten, sodass der Leser sehr gut einen Eindruck vom Leben der Familie bekommt.

Die Geschichte des sterbenden Literaturstudenten Arda ist sehr emotional.

Schmerzhaft, mit tief sitzender Trauer, einfühlsam.

Neutrale Bewertung: Ein sehr gut gelungener Debüt des jungen Autors. Gibt bildhaft und lebendig einen Einblick in das Leben einer Migrantenfamilie. Ein unwissender Leser bekommt einen guten Eindruck und auch reichlich Informationen, wie es ist in dritten Generation groß zu werden. 4,5 Sterne.

Mein persönliches Empfinden: Mir hat die Geschichte gut gefallen, doch ich fand das Leben der Familie gewöhnlich, unspektakulär. Mir hat der Roman einfach nicht viel gegeben, doch ich genoss durchaus die leise Stimme von Necati Öziri. Eine uneingeschränkte Weiterempfehlung. 4 Sterne.

 l'Horizon, Kim de - Blutbuch

 


Über den Autor:

Kim de l’Horizon ist eine genderfluide nichtbinäre schweizerische Person, die unter diesem Pseudonym Lyrik, Prosa und Theaterstücke verfasst. Ihr Roman Blutbuch wurde mit dem Deutschen Buchpreis 2022 ausgezeichnet.

Kurzbeschreibung:

Ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis 2022

Die Erzählfigur in ›Blutbuch‹ identifiziert sich weder als Mann noch als Frau. Aufgewachsen in einem schäbigen Schweizer Vorort, lebt sie mittlerweile in Zürich, ist den engen Strukturen der Herkunft entkommen und fühlt sich im nonbinären Körper und in der eigenen Sexualität wohl. Doch dann erkrankt die Großmutter an Demenz, und das Ich beginnt, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen: Warum sind da nur bruchstückhafte Erinnerungen an die eigene Kindheit? Wieso vermag sich die Großmutter kaum von ihrer früh verstorbenen Schwester abzugrenzen? Und was geschah mit der Großtante, die als junge Frau verschwand? Die Erzählfigur stemmt sich gegen die Schweigekultur der Mütter und forscht nach der nicht tradierten weiblichen Blutslinie.

Meine Meinung:

Die Rezension zu diesem Buch zu schreiben, fällt mir schwer, denn ich mag es nicht, wenn die Bücher mir nicht gefallen. Und mit diesem Roman wurde ich nicht warm.

Ich möchte gleich zum Anfang anmerken, dass ich die erzählende Person mit dem Pronomen "er" bezeichnen werde, da ich generell nicht gendere. Allerdings möchte ich dazu versichern, dass es nichts mit Respektlosigkeit zu tun hat.

Die Geschichte wird aus der Sicht des Autors erzählt. Der Roman ist in Gender Sprache verfasst, was ich in Anbetracht der Situation des Autors verstehe, doch den Lesefluss stört das Gendern enorm.

In seinem Roman, der biografisch angelegt ist, versucht der Autor das Leben seiner Großmutter und seiner Familie zu ergründen, um auch für sich persönlich Klarheiten zu gewinnen, und womöglich die Antworten auf die Frage, wie seine Persönlichkeit entstanden ist, zu finden. Soweit absolut verständlich und gut nachzuvollziehen.

Jeder denkender und zur Selbstreflexion fähiger Mensch, macht es mal in seinem Leben, dass er sich mit den Ursprüngen, Vorfahren und der Familiengeschichte auseinandersetzt.

Ich hoffe sehr, dass diese Auseinandersetzung in diesem Roman dem Autor zugutekam und er für sich die vorhandenen Fragen beantworten konnte. Das gönne ich dem Autor sehr.

Denn für mich war der Roman keine Bereicherung. Ich empfand das größte Teil der Geschichte als eine Anreihung von Banalitäten, die vermutlich allen im Familienleben schon untergekommen sind. Nun ja, für alle sollte ich wohl nicht sprechen, deswegen sage ich nur für mich.

Ich erlebte die Geschichte als eine Obsession, ein Regen von Gedanken, Empfindungen, Reaktionen, wirr und unkontrolliert. Was womöglich von dem Autor so geplant war und die Intention des Autors unterstreicht: die Identitätssuche und Zugehörigkeitswunsch.

Die Geschichte ist ehrlich, offenherzig, bis ins kleinste Detail dokumentiert. Und ich muss ganz ehrlich sagen, manche Momente würde ich gar nicht wissen wollen, denn die gehören nach meinen Begriffen zum privaten und intimen Leben einer Person.

Der Roman erwies sich als eine zusammengestückelte, obsessiv erzählte Geschichte eines Suchenden. Mir hat es absolut nicht gefallen. Jedoch würde ich den Roman weiterempfehlen, es ist schon interessant, wie es auf einen wirkt.

Von mir gibt es 1,5 Stern.