Heinz Strunk - Der gelbe Elefant
Über den Autor:
Der Schriftsteller, Musiker
und Schauspieler Heinz Strunk wurde 1962 in Bevensen geboren. Seit
seinem ersten Roman „Fleisch ist mein Gemüse“ hat er elf weitere Bücher
veröffentlicht. „Der goldene Handschuh“ stand monatelang auf der
Bestsellerliste; die Verfilmung durch Fatih Akin lief im Wettbewerb der
Berlinale. 2016 wurde der Autor mit dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis
geehrt. Seine Romane „Es ist immer so schön mit dir“ und „Ein Sommer in
Niendorf“ waren für den Deutschen Buchpreis nominiert.
Kurzbeschreibung:
Die
Welt von Heinz Strunk ist der unseren in vielem ähnlich. In “Der gelbe
Elefant” schreibt er vom Alltäglichen, wo Überraschung, Wunder, Grauen
lauert.
Die Geschichten in diesem Buch erzählen von einer
Seniorenorganisation namens «Freiwillig über die Klippe» und von einem
Autoausflug in die Prähistorie. Ein Experte erlebt in der Sendung von
Markus Lanz eine Katastrophe, ein Bauer in der Großstadt und ein Tourist
bei der Thai-Massage am Strand. Manche der Texte klingen wie
Zeitungsreportagen, manche wie Schauergeschichten, manche sind in
Briefform, eine hat gar Bulletpoints. Aber immer sind sie originell,
komisch, drastisch und unverwechselbar Heinz Strunk.
Meine Gedanken über die Erzählungen:
Ja,
richtig gelesen, es geht bei dem Buch, um Kurzgeschichten und wenn man
meine Rezensionen kennt, dann wissen einige Leser, dass ich mit
Erzählungen wenig anfangen kann, denn diese sind mir schlicht zu kurz,
um eine Beziehung aufzubauen. Doch auch ich komme manchmal in Genuss von
Kurzgeschichten und kann diese sogar mögen. Bei Heinz Strunk war ich
einfach nur zu neugierig. Ich kenne seine Werke und habe auch einige
gelesen, doch noch keine Erzählungen.
Aber nun zu den
Geschichten: Es ist ein buntes Sammelsurium an Erlebnissen, Gedanken,
Beobachtungen und Fantasie. Was die alle vereint, sind die Darsteller.
All die Verlassenen, Vergessenen, nicht geachteten, verbitterten, bösen,
unzufriedenen und Lebensmüden.
Der Erzählton ist dementsprechend.
Heinz Strunk nimmt sich die Themen an, die Anstoß finden würden, die
zum Nachdenken anregen und einen womöglich auch nicht loslassen.
Als erste Geschichte dürfen wir „Kroketten“
genießen. Hier geht es um Mittelschicht, einfache Bürger, die
unauffällig sind, nach einem Stammrestaurant Ausschau halten, um den
Höhepunkt der Woche zu gestalten und sich neue Freunde suchen. Doch bei
all dem Potenzial, ständig unzufrieden zu sein, und in einer Suppe ein
Haar zu finden, sind diese nach einer zufriedenen und glücklichen Phase
in einem durchschnittlichen griechischen Restaurant, mit neu gewonnenen
Freunden, unglücklich, negativ eingestellt und böse. Es lief nicht so,
wie sie sich das vorgestellt haben. Weder Restaurant noch Freunde taugen
was, nach einem einzigen Fehler. Als Leser verspürt man ein Grauen,
sind so viele Menschen tatsächlich sich oberflächlich?
Auch
die Geschichte über einen Experten, der beim Marcus Lanz eingeladen
worden ist, uns schlicht und ergreifend, vergessen worden ist, hat mir
gut gefallen. Der Moderator hat ihn die ganze Sendung nicht beachtet und
auch gar nicht zu Wort kommen lassen. So saß der arme Experte, der erst
seit Kurzem die Bekanntschaft erlangt hat, ohne sich zu melden.
Peinlich und niederträchtig. Soll dies seinen Niedergang einläuten? Auch
hier sind die Werte der Mitmenschen sehr fragwürdig.
Die Geschichte "Freiwillig über die Klippe"
hat mich am meisten traurig gemacht. Hier wird es nach einer Lösung
gesucht, wie die Gesellschaft sich von den älteren Personen befreien
kann. Und zwar, in dem man die entsprechende Politik betreibt und den
Selbstmord für Senioren attraktiv macht. Ja, ihr lest es richtig.
Gruselig, doch auch irgendwo nicht frei von realistischen Gedanken
mancher Menschen. Nach dieser Story war ich erst mal bedient und musste
Pause einlegen.
Der Erzählstil des Autors ist sehr
typisch für alle Geschichten: böswillig, hoffnungslos, sarkastisch. Ohne
jeglichen Liebe, Freundlichkeit, Zuneigung zu seinen Charakteren und
seinen Leser zeigt Heinz Strunk scheinbare Abgründe der Gesellschaft,
doch wenn man genau hinsieht, es sind alles Personen, denen man im
Alltag überall begegnen kann. Einerseits sind die Personagen natürlich
überzeichnet, doch wenn man sich in die vorgestellten Situationen
hineindenkt, auch erschreckend normal.
Ist die Welt so grauenvoll? Ich hoffe es nicht.
Der
Sammelband bietet dreißig Geschichten, die unterschiedlich gemacht
worden sind. Manche skizzenhaft, manche ausführlicher, manche in
Briefform. Gefallen haben mir nicht alle, besonders kurzen
erwartungsgemäß eher weniger. Aber an eine muss ich doch noch denken,
über die überglückliche, überfreundliche Carola, aber ich würde
empfehlen, macht euch selbst einen Überblick.
Es lohnt sich.
Ich
habe die Erzählungen sowohl gelesen als auch gehört. Vorgetragen wurde
das Buch von dem Autor selbst und wie ich fand, sehr gut. Ruhig, mit
leichter Betonung auf wichtige Passagen und Sätze. Das Hörbuch ist
ungekürzt und dauert knapp über vier Stunden.
Versuch einer neutralen Bewertung:
Die Literaturkritiker würden vermutlich manche Erzählungen bemängeln,
denn einige scheinen nicht bis zu Ende gedacht worden sein. Aber dank
der charakterstarken, bildhaften Darstellung, die auch auf wenigen
Seiten, mit wenigen Worten aufgezeichnet gelingt, hätten die Erzählungen
fünf Sterne verdient.
Meine subjektive Meinung: Eine
Trostlosigkeit und Leere bleiben nach dem Lesen. Zynisch, und ich
hoffe, eher realitätsfern, aber sehr eindringlich. Dafür 4,5 Sterne und
eine Empfehlung.