Franzobel - Einsteins Hirn
Über den Autor:
Franzobel, geboren 1967 in Vöcklabruck, erhielt u. a. den
Ingeborg-Bachmann-Preis (1995), den Arthur-Schnitzler-Preis (2002) und
den Nicolas-Born-Preis (2017). Bei Zsolnay erschienen zuletzt der Krimi
Rechtswalzer (2019) sowie die in zahlreiche Sprachen übersetzten
historischen Romane Das Floß der Medusa (2017) und Die Eroberung
Amerikas (2021).
Kurzbeschreibung:
Am 18. April 1955 kurz nach Mitternacht stirbt Albert Einstein im
Princeton Hospital, New Jersey. Seinem Wunsch entsprechend wird der
Körper verbrannt und die Asche an einem unbekannten Ort verstreut.
Vorher jedoch hat der Pathologe Thomas Harvey Einsteins Hirn entfernt,
danach tingelt er damit 42 Jahre durch die amerikanische Provinz. Mit
ihm erlebt Harvey die Wahl John F. Kennedys zum Präsidenten und die
erste Landung auf dem Mond, Woodstock und Watergate und das Ende des
Vietnamkriegs; und irgendwann beginnt das Hirn, mit Harvey zu sprechen.
Franzobels
neuer Roman ist ein hinreißender Trip durch wilde Zeiten und zugleich
die Lebensgeschichte eines einfachen, aber nicht gewöhnlichen Mannes,
den Einsteins Hirn aus der Bahn wirft.
Meine Gedanken zu dem Roman:
Eine absurde Geschichte, die es wert ist, gelesen zu werden.
Thomas
Stoltz Harvey ist ein bescheidener Mann, der kaum jemanden auffällt. Er
ist Pathologe, wobei er eigentlich ein Arzt werden wollte, doch
aufgrund einiger Schwierigkeiten hat es dazu nicht gereicht, so wurde er
zumindest ein Pathologe, schließlich auch ein Mediziner. Thomas ist
verheiratet und erzählt in diesem Roman auch seine Liebesgeschichte, die
reichlich schön ist, denn seine Frau ist schon ein besonderes Exemplar
von einem verstreuten, tolpatschigen, romantischen Menschen, den man
wirklich gerne haben kann.
Wie der Zufall es will,
sollte Thomas Harvey die Leiche des Weltgenies Albert Einsteins, nach
seinem Ableben, obduzieren. Da ist schon die skurrile Geschichte um
Thomas und Einsteins Hirn im vollen Gange. Die Menschen, die mit Thomas
zusammenarbeiten, lassen es sich nicht nehmen, Souvenirs von der Leiche
zu behalten. Was auch Thomas auf eine grandiose Idee bringt: Er entnimmt
das Gehirn des Genies und behält es, so zu sagen, zu weiteren
Untersuchungen.
Im Laufe der Geschichte wird es noch
skurriler und sonderbarer, Einsteins Gehirn fängt an, sich mit dem
Pathologen zu unterhalten. Dies ist das Hauptthema des Romans, die
Dialoge und Gedankengänge des Gehirns sind absolut lesenswert.
Nebenbei
erfahren wir sehr viel über das Leben von Thomas Harvey. Er erinnert
sich an seine schwierige Kindheit, Jugend, Aufenthalt in einem
Sanatorium wegen Tuberkulose, erste Liebe, Trennung und so weiter. Der
Lebensweg eines unauffälligen Mannes steht im Vordergrund dieser
Geschichte und lässt den Leser interessiert aufhorchen.
Wie
man der beschriebener Handlung entnehmen kann, merkt man, dass diese
Geschichte alles andere als ernst zu nehmen ist. Ein groteskes,
abwegiges Gedankenexperiment des Autors auf der Grundlage wahrer
Begebenheiten. Ein sprechendes Hirn, das hat doch was. Den Roman sollte
man vielleicht nicht so ernst nehmen, sonst würden die Absurditäten und
humorvoller Austausch zwischen dem Einsteins Gehirn und Thomas womöglich
nicht so gut gefallen. Dieser Roman von Frantzobel besticht mit seiner
Originalität, Spannung kommt nur stellenweise auf. Sprachlich fand ich
die Geschichte ausgefallen und auch gut, mir haben die humorvollen
Ideen, Wortspielereien, witzige Metaphern gut gefallen. Mein Problem war
eher die Tatsache, dass bei diesem Umfang von mehr als 500 Seiten, hält
kein Witz stand. Es ist zu viel, zu lang und nicht mehr originell,
sondern eher albern.
Der Überblick über die Geschichte
von Thomas Harvey, der fast sein ganzes Leben, er wurde schließlich über
80zig Jahre alt, das Gehirn bei sich trägt, fand ich in Bezug auf die
allgemeine Geschichte des Landes interessant. Allerdings von der
geballten Ladung an Witz und Wortspiel war ich eher überrascht.
Empfehlenswert finde ich den Roman jedoch auf jeden Fall: eine
ausgefallene Idee, Wortwitz, sprachlich flüssig und geistreich,
interessanter Charakter.
Von mir gibt es 4 Sterne und eine Empfehlung.
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