Williams, Tad - Otherland. Stadt der goldenen Schatten
Stadt der goldenen Schatten“ eröffnet Tad Williams’ monumentale
Otherland-Saga – und genau darin liegt zugleich seine Stärke und
Schwäche. Der Auftakt zeigt sofort, wie ambitioniert das gesamte Projekt
ist: zahllose Figuren, parallele Schauplätze, kryptische Hinweise,
virtuelle Welten, politische Verschwörungen. Doch diese Fülle erschlägt
den Leser schnell, bevor sich ein klarer erzählerischer Fokus
abzeichnet. Statt eines allmählich sichtbaren roten Fadens entsteht
häufig der Eindruck, dass man von einer Szene in die nächste geschoben
wird, ohne festen Halt.
Williams versteht es zwar, Atmosphären
zu schaffen und ungewöhnliche Ideen miteinander zu verweben, doch gerade
im ersten Band wirkt diese Komplexität eher wie eine Hürde. Viele
Figuren bleiben zunächst schemenhaft, tauchen nur kurz auf oder
verschwinden, bevor man emotional andocken kann. Die große Verschwörung,
die alles verbinden soll, bleibt noch zu diffus, um wirklich Spannung
aufzubauen. Das Ergebnis ist ein Gefühl von dauernder
Orientierungslosigkeit, das nicht unbedingt neugierig macht, sondern
eher ermüdet.
Wer epische, extrem verschachtelte Zyklen liebt
und bereit ist, hunderte Seiten als langen Anlauf zu akzeptieren, könnte
den Auftakt dennoch zu schätzen wissen. Für mich jedoch blieb „Stadt
der goldenen Schatten“ trotz einzelner faszinierender Ideen zu
verwirrend und zu sprunghaft. Im Moment sehe ich keinen Grund, die Reihe
fortzusetzen – der Aufwand an Konzentration und Geduld steht nicht im
Verhältnis zu dem erzählerischen Ertrag, den der erste Band bietet.
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