Hervé Le Tellier - Die Anomalie
Über den Autor:
Hervé Le Tellier wurde 1957 in Paris geboren. Er veröffentlichte Romane, Erzählungen, Gedichte und Kolumnen. Seit 1992 ist er Mitglied der Autorengruppe OuLiPo (Ouvroir de Littérature Potentielle), die von François Le Lionnais und Raymond Queneau gegründet wurde und der Autoren wie Georges Perec, Italo Calvino und Oskar Pastior angehörten. Er lebt in Paris. Für seinen Roman «L'Anomalie» erhielt er 2020 den Prix Goncourt.
Die Kurzbeschreibung:
Der spektakuläre Bestseller aus Frankreich: eine brillante Mischung aus Thriller, Komödie und großer Literatur. Im März 2021 fliegt eine Boeing 787 auf dem Weg von Paris nach New York durch einen elektromagnetischen Wirbelsturm. Die Turbulenzen sind heftig, doch die Landung glückt. Allerdings: Im Juni landet dieselbe Boeing mit denselben Passagieren ein zweites Mal. Im Flieger sitzen der Architekt André und seine Geliebte Lucie, der Auftragskiller Blake, der nigerianische Afro-Pop-Sänger Slimboy, der französische Schriftsteller Victor Miesel, eine amerikanische Schauspielerin. Sie alle führen auf unterschiedliche Weise ein Doppelleben. Und nun gibt es sie tatsächlich doppelt - sie sind mit sich selbst konfrontiert, in der Anomalie einer verrückt gewordenen Welt.
Hochkomisch und teuflisch intelligent spielt der Roman mit unseren Gewissheiten und fragt nach den Grenzen von Sprache, Literatur und Leben. Facettenreich, weltumfassend, ein literarisches Ereignis.
Meine Meinung:
Ein intelligenter Roman mit einer grandiosen Idee zu der Handlung. Hätte ich allerdings gewusst, dass es sich dabei um einen Episodenroman handelt, hätte ich die Finger von gelassen. Denn ich habe eine Abneigung gegen episodenhaften Handlungen.
Aber eins nach dem anderen.
Der Roman beginnt mit der Vorstellung der Protagonisten, so um die 10-11 sind es sicher gewesen. Ihre Geschichten sind voneinander unabhängig und hängen nur insofern zusammen, als die alle einen Flug von Paris nach New York im März genommen haben. Ganze 130 Seiten dauert der Einstieg in diesen Roman. Denn anders kann ich es nicht nennen, denn die Geschichten der Charaktere sind nur angerissen, haben keine Tiefe, und dienen der Vorstellung und Einführung der Charaktere. Leider, hat man wenig Grund die Charaktere interessant zu finden. Man hat als Leser gar keine Möglichkeit sich in die Charaktere einzuleben oder einzufühlen, denn das ist nicht die Intention des Autors.
Das mittlere Teil des Romans war für mich der Höhepunkt. Da ging es schlagartig spannend zu. Die Tatsache, dass der Boeing 787 der Flug von Paris nach New York im Juni noch mal gelandet ist, und quasi eine Kopie des Fluges von März darstellt, samt der Passagieren, die von nun an es doppelt gibt, wird von den führenden Wissenschaftlern der Welt und Militär untersucht. Es gibt wilde Theorien, es kann sich um eine weitere Dimension handeln, zu der wir keinen Zugang haben, es kann eine quasi Kopie des Lebens entstanden sein, es könnte Einfluss der Außerirdischen sein und es wäre möglich, dass die Menschheit nicht wirklich existiert, oder besser gesagt, existiert nur als ein virtuelles Programm... Doch auf jeden Fall handelt es sich dabei um eine Anomalie, etwas, was nicht passieren durfte. Dieses Teil der Geschichte fand ich hervorragend: ausgefallen und sehr spannend. Da kamen die Wissenschaftler zum Wort und es wurde lebhafter. Im nächsten Teil sollen die Menschen sich selbst als Doppelgänger begegnet. Was macht es mit einem Menschen quasi mit sich selbst konfrontiert zu werden? Was macht es mit der Gesellschaft?
Der Roman besticht mit einer höchst schrägen Idee. Ob ich den Roman komisch fand, kann ich nicht behaupten. Denn Angesicht der menschlichen Tragödien, Handlungen des Präsidenten, militärischen, um die Sicherheit besorgten, Einsatz und religiöse Debatte, fand ich es nicht komisch. Aber beim Humor ist es so eine Sache, dem einen gefällt, dem andern nicht.
Mein Erleben der Geschichte war eher negativ. Die Einführung gefühlt hundert Charaktere dauerte zu lange, sodass dem Autor es nicht gelungen ist, einen Spannungsbogen aufzubauen. Ich bin mir sicher, dass viele Leser diesen Roman innerhalb der ersten 100 Seiten zur Seite legen. Denn es war wenig interessant und es wurde absolut kein Gefühl vermittelt. Später, wie gesagt, als alle Theorien zur Sprache kamen, war es spannender. Und danach flachte die Spannung wieder ab. Der ganze Roman las sich eher als eine Aneinanderreihung von kurzen Geschichten. In Einzelteilen wurde die Idee gut umgesetzt, doch die Gesamtheit des Romans bleibt für mich unbefriedigend. Schade, aus diesem grandios spannendem Thema konnte was werden. Der originellste Roman des Jahres hat Published On geschrieben. Originell mag der Roman sein, aber ob es dadurch auch gut ist? Eher ein ausgefallenes Experiment, als ein spannender und unterhaltsamer Roman.
Aber
ich bin froh, das Buch gelesen zu haben, sonst hätte ich weiterhin den
Wunsch gehabt, bei dieser tollen Kurzbeschreibung es zu lesen. Jetzt
weiß ich es. Von mir gibt es 2,5 Sterne.
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