McEwan, Ian - Was wir wissen können

  Ian McEwan verbindet in Was wir wissen können Vergangenheit und Zukunft zu einem vielschichtigen Roman über Erinnerung, Verlust und die Fragilität von Wissen. Ausgangspunkt ist ein Gedicht, das 2014 einmalig vorgetragen und danach nie wieder gefunden wurde. Jahrzehnte später sucht der Literaturwissenschaftler Tom Metcalfe im Jahr 2119 in einer von Klimakatastrophen veränderten Welt nach Spuren dieses verschollenen Textes.

McEwan zeigt, wie kleine und scheinbar banale Details aus der Vergangenheit in der Zukunft plötzlich kostbar erscheinen. Die Handlung trägt kriminalistische Züge, doch wichtiger ist die Reflexion: Was bleibt von Kunst, Kultur und Leben, wenn Archive zerfallen und Erinnerungen verblassen?

Der Roman ist melancholisch und tief nachdenklich zugleich. Er lässt die Leser über die eigene Gegenwart grübeln: Was wird von unserer Welt in hundert Jahren übrig sein – und was werden wir niemals wissen können?
Trotz der intellektuellen Brillanz und der spannenden Grundidee hat mich der Roman insgesamt etwas enttäuscht. Ich empfand ihn stellenweise als langatmig, mit vielen verschachtelten Sätzen, die das flüssige Lesen erschwerten. Auch der Bezug zur Zukunft, den ich mir stärker und prägnanter gewünscht hätte, bleibt eher vage und kommt nur am Rande zum Tragen. Statt eines runden, erzählerisch geschlossenen Romans wirkt Was wir wissen können fragmentarisch, experimentell und stellenweise zerfasert, eher ein literarisches Gedankenspiel, das seinen Reiz hat.

 Moritz, Rainer - Das Jahr in Büchern

  Rainer Moritz, renommierter Literaturwissenschaftler hat mit Das Jahr in Büchern ein Werk geschaffen, das literarische Vielfalt und Lesefreude auf wunderbare Weise vereint. In 366 kurzen Empfehlungen stellt er für jeden Tag des Jahres ein anderes Buch vor. Dabei bezieht er sich mal auf das Datum, mal auf die Jahreszeit oder greift einfach ein spannendes Detail auf, das ihn mit dem jeweiligen Werk verbindet.

Die Mischung macht den besonderen Reiz dieses Buche aus: Hier finden sich Klassiker, ebenso wie literarische Entdeckungen, die aus dem Schatten geholt werden und neugierig machen. Gerade diese Mischung aus Bekanntem und Überraschendem sorgt dafür, dass man beim Lesen immer wieder inspiriert wird.

Für mich eignet sich das Buch hervorragend dazu, es mal am Stück zu lesen oder auch im Laufe des Jahres immer wieder in die Hand zu nehmen. Rainer Moritz versteht es kenntnisreich und mit Begeisterung über die vorgestellten Werke zu sprechen, sodass die Neugier geweckt ist und die Wunschliste der Leser wächst.

Das Jahr in Büchern ist ein ideales Geschenk für alle Bücherliebhaber – anregend, unterhaltsam und voller Inspiration. Ein Buch, das Freude macht und lange begleitet.

 Boyne, John - Wasser

  Mit Wasser eröffnet John Boyne seinen neuen Romanzyklus, der nach Elementen benannt ist und je einem unterschwellig gewidmet ist. Der Auftaktroman erzählt die Geschichte einer Frau Anfang fünfzig, die sich nach einem schrecklichen Einschnitt in ihrem Leben in die Abgeschiedenheit einer kleinen, abgelegenen Insel zurückzieht. Dublin und ihr vertrautes Umfeld hat sie hinter sich gelassen, um in der Einsamkeit Antworten auf die drängenden Fragen ihres Lebens zu finden.

Boyne zeichnet das Bild einer Protagonistin, die mit Schuld, Vergebung und der Suche nach ihrer eigenen Identität ringt. In der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und den Ereignissen, die sie in die Krise geführt haben, entfaltet sich eine intensive Innenschau. Der Roman überzeugt durch seine dichte, düstere Atmosphäre, die die innere Zerrissenheit der Hauptfigur spiegelt.

Wasser ist ein fesselnder, melancholischer und zugleich nachdenklicher Roman. Boyne gelingt es, die Leserinnen und Leser in den Bann einer existenziellen Lebenskrise zu ziehen und Themen wie Schuld, Vergebung und Selbstfindung literarisch packend zu gestalten. Ein starkes Buch, das nachhaltig beschäftigt und einen würdigen Auftakt für die geplante Reihe bildet. Atmosphärisch dicht, thematisch tiefgründig und literarisch überzeugend – sehr zu empfehlen!

Hindmarsh, Bruce/Borlase, Craig - Die Melodie der Gnade

   Bruce Hindmarsh’ Romanbiografie Die Melodie der Gnade bringt die Lebensgeschichte von John Newton eindrücklich nahe. Der Autor zeichnet kein Heldenbild, sondern zeigt einen zerrissenen, fehlbaren Menschen, dessen Wandel umso authentischer wirkt. Besonders beeindruckt die thematische Tiefe: Die Erfahrung der Gnade zieht sich wie eine leise, aber beständige Melodie durch das gesamte Buch. Der erzählerische Stil verbindet historische Genauigkeit mit literarischer Lebendigkeit – packend, emotional und nachhaltig bewegend. Zwar liegt der Schwerpunkt stark auf Newtons früher Seefahrtszeit, während spätere Abschnitte etwas kürzer geraten, doch insgesamt bleibt das Werk eine fesselnde Lektüre über Schuld, Umkehr und die transformative Kraft der Gnade

 February, Anna - The Hive – Wenn die Königin fällt

   Anna February entwirft in The Hive eine dystopische Welt, die zugleich faszinierend und beklemmend wirkt. Der Roman verbindet Elemente der Gesellschaftskritik mit einer spannungsvollen Ermittlungs-Handlung. Die Welt des Hive ist streng hierarchisch organisiert: An der Spitze stehen Könniginen und derer Kinder, während die Arbeiter einzig dazu bestimmt sind, deren Wohlergehen zu sichern.

Die Erde ist in einem desolaten Zustand, um die wenige Ressourcen zu schützen, braucht es eine strenge Ordnung im System.

Die Handlung setzt mit einem dramatischen Ereignis ein: Die Tochter einer Königin wird ermordet. Ihre Leibwächterin – im Roman „Schild“ genannt – überlebt als Einzige, was eigentlich als unmöglich gilt. Schilde sind von Geburt an darauf trainiert, die Mitglieder der königlichen Familie um jeden Preis zu beschützen und mit ihnen verbunden zu sein. Dass ein Schild den Tod der zu schützenden Person übersteht, ist ein Bruch mit allen Regeln dieser Gesellschaft – und wirft Fragen auf, die die Handlung antreiben. Als weitere Morde folgen, steigert sich die Spannung.

Besonders gelungen ist die detailreiche, komplexe Welt, die Anna February geschaffen hat. Die klare Struktur der Gesellschaft, die fast wie das Innenleben eines Uhrwerks funktioniert, verleiht der Geschichte Tiefe und Glaubwürdigkeit. Gleichzeitig bleibt die Handlung unvorhersehbar.

Allerdings neigt die Autorin dazu, Szenen und Aktionen sehr ausführlich auszumalen. Dieses Verweilen bei einzelnen Momenten verlangsamt den Lesefluss gelegentlich und lässt manche Passagen langatmiger wirken.

Insgesamt jedoch überzeugt The Hive durch seine originelle Welt, die Mischung aus Dystopie und Kriminalgeschichte. Ein empfehlenswertes Buch für alle, die komplexe Welten und dichte Handlungen schätzen.

 Perry, Rob - Der große Gary

Rob Perry erzählt in Der große Gary die bewegende Geschichte von Benjamin, einem jungen Mann, der in vielerlei Hinsicht ein Außenseiter ist. Geplagt von Phobien, Ängsten und einer fast lähmenden Unsicherheit, lebt er zurückgezogen in seiner kleinen Welt, die er vor allem durch seine Angst vor Keimen streng abgrenzt. Er gehört zu den Menschen, die man leicht vorschnell als „sonderbar“ oder „komisch“ bezeichnet, und doch ist er von einer tiefen Liebenswürdigkeit und Nachdenklichkeit geprägt.

Als plötzlich ein herrenloser Windhund in sein Leben tritt, verändert sich alles. Ausgerechnet ein Hund – etwas, das für Benjamin mit all seinen Ängsten eigentlich undenkbar ist – wird zu seinem engsten Vertrauten. Gary, wie das Tier genannt wird, sieht in Benjamin einen Freund, und diese gegenseitige Zuneigung wächst zu einer stillen, kraftvollen Verbindung.

Der Roman ist in seiner Grundstimmung melancholisch und von einer feinen Traurigkeit durchzogen. Und doch birgt er Hoffnung: Benjamin beginnt, seine Ängste zu überwinden, entdeckt neue Freundschaften und erkennt einen tieferen Sinn in seinem Leben. Perry gelingt es, mit poetischer Sprache eine Geschichte zu zeichnen, die leise und zugleich eindringlich von Menschlichkeit, Verletzlichkeit und dem Bedürfnis nach Nähe erzählt.

Das Ende bleibt offen – bewusst unsicher, fast wie ein unausgesprochenes Versprechen. Diese Offenheit lädt die Lesenden ein, die Geschichte in Gedanken weiterzuspinnen, und macht den Roman zu einem umso stärkeren Leseerlebnis.

 Teige, Trude - Und Großvater atmete mit den Wellen

In ihrem Fortsetzungsroman Und Großvater atmete mit den Wellen widmet sich Trude Teige der Geschichte von Konrad, der im Zweiten Weltkrieg bei der Marine diente und in Gefangenschaft geraten ist. Seine Erlebnisse, seine Ängste und seine Narben werden in diesem Band sichtbar gemacht – nachgezeichnet von seiner Enkelin, die sich auf die Spurensuche begibt.

Besonders hervorzuheben ist die gründliche Recherche, die spürbar in jede Seite eingeflossen ist. Teige gelingt es, historische Fakten und individuelle Schicksale zu verweben, sodass die Geschichte authentisch und gleichzeitig zutiefst bewegend wirkt. Die Verknüpfungen zum ersten Roman, die sich gegen Ende des Buches zeigen lassen die Familiengeschichte in einem noch dichteren Zusammenhang erscheinen.

Das Buch ist tragisch, aufwühlend und von großer Bedeutung. Es erinnert eindringlich daran, wie wichtig das Erinnern ist, und bewahrt ein Stück Geschichte in literarischer Form.

Ein zutiefst beeindruckender und sehr empfehlenswerter Roman, der lange nachhallt.

 Slocombe, Penelope - Sunbirds

Sunbirds ist ein Familienroman, der eine Vielzahl an Figuren und deren persönliche Konflikte und Herausforderungen miteinander verknüpft. Im Zentrum der Geschichte steht die Suche nach einem verschwundenen Sohn – ein Thema, das nicht nur die Familie selbst erschüttert, sondern auch Fragen nach Verlust, Hoffnung und der unermüdlichen Suche nach dem nächsten geliebten Menschen aufwirft.

Der Schreibstil von Penelope Slocombe ist angenehm und flüssig zu lesen, sodass man trotz der Schwere des Themas gut in die Handlung hineingeführt wird. Besonders beeindruckend sind die atmosphärischen Schilderungen: Landschaft und Menschen werden mit einer Bildkraft dargestellt, die den Leser mitten in das Geschehen hineinzieht.

Weniger überzeugend fand ich den Einstieg des Romans, der sich etwas langatmig gestaltet. Auch die insgesamt eher bedrückende Stimmung könnte für manche Leser eine Hürde sein – mich persönlich hat sie allerdings nicht gestört, da sie sehr gut zur Thematik passt. Was ich mir allerdings gewünscht hätte, ist noch etwas mehr Tiefe in der Figurenzeichnung und den inneren Konflikten.

Insgesamt ist Sunbirds ein vielschichtiger Roman über Familie, Verlust und Zusammenhalt, der mit eindrucksvollen Beschreibungen und einer sensiblen Auseinandersetzung mit schwierigen Themen überzeugt. Wer sich auf die melancholische Atmosphäre einlässt, wird mit einer intensiven und berührenden Lektüre belohnt.

 Espach, Alison - Wedding People

  „Willst du Gott einen Witz erzählen, so erzähl ihm von deinen Plänen.“ Dieses Motto passt perfekt zu Alison Espachs Roman Wedding People. Im Mittelpunkt steht Phoebe, eine Professorin für Literatur, die keinen Sinn mehr im Leben sieht. Kein Partner,   kein Kater, keine Kinder und jahrelange Depression. Sie fasst den Entschluss, ihr Leben zu beenden. Als letzten Ort wählt sie das edle Hotel Cornwall – ein geplanter Abschied in Würde.

Doch das Schicksal macht ihr einen Strich durch die Rechnung: Ausgerechnet eine Hochzeitsgesellschaft hat das Hotel gebucht. Statt der ersehnten Ruhe trifft Phoebe auf eine bunte Mischung skurriler Gäste, absurde Situationen und eine Atmosphäre, die von Heiterkeit und Feierlaune geprägt ist.

Espach erzählt die Geschichte mit viel Humor und situativer Komik. Die dialogreiche Handlung bringt Tempo und verleiht den Figuren Lebendigkeit. Gleichzeitig bleibt das ernste Thema stets spürbar im Hintergrund: Depression, Einsamkeit und die Frage nach dem Sinn des Daseins. Für mich persönlich geriet der Ton an manchen Stellen etwas zu flapsig, was der Schwere des Stoffes etwas Tiefe nahm. Auch die Länge der Erzählung empfand ich stellenweise als überdehnt.

Trotzdem ist Wedding People ein Roman, der sowohl unterhält als auch nachdenklich stimmt – eine Geschichte über das Stolpern durchs Leben, über ungeplante Begegnungen und darüber, dass man manchmal gerade dann aufgehalten wird, wenn man glaubt, am Ende angekommen zu sein.

Nelson, Jandy - Wenn unsere Welt kippt

   Mit wenn unsere Welt kippt entführt Jandy Nelson ihre Leser in das kleine Städtchen Paradise Spring, wo Realität und Magie auf berührende Weise ineinanderfließen. Im Zentrum steht eine Familie, deren drei Kinder unterschiedlicher kaum sein könnten: die zwölfjährige Dizzy, die leidenschaftliche und talentierte Kuchenbäckerin, die oben drauf noch Geister sieht; der " vollkommener" Miles, 17 Jahre alt, sportlich, klug und attraktiv; sowie Wynton, der älteste Bruder, ein begnadeter Geiger.

Das Familienleben gerät ins Wanken, als Unerwartetes passiert und wie ein Zufall gleichzeitig ein geheimnisvolles Mädchen mit regenbogenfarbenen Haaren auftaucht und eine tiefe Verbindung zu allen drei Geschwistern aufbaut. Von diesem Moment an entfaltet sich eine vielschichtige Erzählung, die aus verschiedenen Perspektiven geschildert wird – nicht nur die Geschwister, sondern auch die Mütter lassen den Leser hautnah am Geschehen teilhaben.

Nelson gelingt es meisterhaft, jede Figur lebendig und authentisch zu zeichnen. Ihre Charaktere sind keine bloßen Erzählfiguren, sondern wirken so echt, dass man mit ihnen lachen, hoffen und leiden kann. Die Mischung aus Familiengeschichte, Coming-of-Age und einem Hauch von magischen Realismus schafft eine Atmosphäre, die gleichermaßen poetisch wie spannend ist.

Dieser Roman ist ein bewegendes, klug komponiertes Werk, das zeigt, wie unterschiedlich Talente, Geheimnisse und Bindungen sein können – und wie sie am Ende doch alle Fäden des Lebens zusammenweben. Eine liebevolle, tiefgründige und außergewöhnlich schöne Geschichte, die lange nachhallt.

 Strobel, Arno - Welcome Home

Wer Arno Strobel kennt, weiß, dass sein Erzählstil stets klar, schnörkellos und leicht verständlich iss. Auch in Welcome Home bleibt er seiner Linie treu: keine komplizierten Wörter, kurze Kapitel, ein hohes Tempo - ein typischer Strobel eben. In dem Roman geht es um eine junge Familie: Ines, Marco und ihre kleine Tochter Emily erfüllen sich einen Traum: den Einzug in ein eigenes Haus. Die Nachbarschaft wirkt freundlich, das Umfeld idyllisch - beste Voraussetzungen für einen Neuanfang. Doch schon in der ersten Nacht geschehen merkwürdige Dinge: Der Strom fällt aus, der Hund reagiert nervös, ohne dass eine Ursache erkennbar ist. Kurz darauf erschüttert ein Schock die Siedlung. In einem noch unbewohnten Haus wird eine Leiche gefunden. Von da an überschlagen sich die Ereignisse, und die junge Familie gerät in einen Strudel aus Angst, Bedrohung und wachsendem Misstrauen. Die Spannung dieses Romans baut sich schnell auf, die Atmosphäre ist besorgniserregend. Leider blieben für mich die Charaktere ein wenig auf der Strecke, tiefere psychologische Einblicke fehlten. Doch alles in allem ein leicht und flüssig, zu lesendes Buch. Für alle, die spannende, schnelle Unterhaltung suchen, optimal. 

 Riemer-Schadendorf, Kevin - Im Bann des Vaterlandes

  Der Roman Im Bann des Vaterlandes ist ein hochaktuelles Gedankenexperiment, das sich wie eine düstere Dystopie liest und gleichzeitig ein schonungsloser Spiegel unserer Gegenwart ist. Der Autor zeichnen ein Szenario, in dem freie Meinungsäußerung und unabhängiger Journalismus fast vollständig verschwunden sind. An ihre Stelle treten Künstliche Intelligenz und ein engmaschiges Netz der Überwachung: Texte werden automatisch gefiltert und umgeschrieben, sodass beim Bürger nur noch regierungskonforme Informationen ankommen. Demokratie ist in dieser Welt kaum noch erkennbar – Selbstbestimmung existiert nur noch als blasser Schatten.
Doch es sind die Figuren, die sich gegen dieses System auflehnen, die den Roman lebendig machen. Ihre Stimmen tragen Hoffnung inmitten der erdrückenden Realität und machen spürbar, dass Freiheit niemals selbstverständlich ist. Der Schreibstil ist dabei klar und geradlinig, durchzogen von poetischen Momenten, die dem Text stellenweise eine unerwartete Tiefe verleihen.
Im Bann des Vaterlandes ist mehr als eine spannende Geschichte – es ist eine eindringliche Warnung. Die Nähe zur Wirklichkeit macht die Lektüre stellenweise beklemmend, fast erschreckend real. Ein Buch, das nachhallt und Leserinnen und Leser zwingt, über die Zerbrechlichkeit demokratischer Werte und den Schutz der freien Presse nachzudenken.

Hewitt, Kate -  Die Edelweißschwestern

  Kate Hewitt entwirft in Die Edelweissschwestern ein eindringliches Bild vom Leben im Schatten des Nationalsozialismus. Beginnend im Jahr 1936 zeigt der Roman, wie das Naziregime Schritt für Schritt in das Alltagsleben eindringt und es mit Gesetzen, Verfolgung und Gewalt durchsetzt.
Im Zentrum der Handlung stehen drei sehr unterschiedliche Schwestern: die eine lieblich und kreativ, die zweite bodenständig und praktisch veranlagt, die dritte geprägt von ihrem Vater, mit dem sie das Handwerk des Uhrmachers teilt. Ihre Lebenswege im Kriegs- und Bedrängnisalltag könnten nicht unterschiedlicher sein – ebenso wie ihre Liebesgeschichten, die sie mit einem Juden oder auch einem Nationalsozialisten verbinden. Trotz aller Unterschiede bleibt der Zusammenhalt der Familie ein entscheidender Anker.
Der Roman verlangt Geduld: In der ersten Hälfte wirken Handlung und Figuren eher oberflächlich, die Erzählung entfaltet sich langsam. Doch je weiter die Geschichte fortschreitet, desto intensiver wird die Lektüre. Ab der zweiten Hälfte gewinnen die Charaktere an Tiefe, ihre Entscheidungen erscheinen nachvollziehbarer, das Geschehen wird bildhafter und emotional packender.
Hewitt gelingt es, die Schrecken der Zeit mit persönlichen Schicksalen zu verweben und dadurch das Grauen des Zweiten Weltkriegs und des Naziregimes greifbar zu machen. Wer gerne historische Romane liest, die vom Einfluss des Nationalsozialismus auf das Leben in Österreich und Deutschland erzählen, findet in Die Edelweissschwestern eine lohnende und berührende Lektüre.

Furniss, Clare -  The Things We Leave Behind

Clare Furnis entwirft mit The Thing We Leave Behind eine beklemmende dystopische Welt, die erschreckend realistisch wirkt und stark an aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen erinnert. Themen wie die Machtübernahme durch Autokraten, Streng Konservativen, totalitäre Kontrolle und der Verlust persönlicher Freiheit verleihen der Geschichte eine bedrückende Aktualität.

Im Zentrum steht Clem, ein junges Mädchen, das gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester versucht, aus dem zunehmend überwachten London zu fliehen. Clem übernimmt früh Verantwortung und stellt ihre eigenen Ängste hinter den Schutzinstinkt für ihre Schwester – ein erzählerischer Kniff, der der Handlung emotionale Tiefe verleiht.

Die Atmosphäre ist trist und eindringlich, die Handlung entwickelt sich jedoch an einigen Stellen recht langsam. Manche dystopische Elemente sind vertraut und wirken nicht völlig neu. Dennoch überzeugt Furnis durch eine klare, flüssige Sprache und eine feinfühlige Figurenzeichnung, die Leserinnen und Leser in den Bann zieht. Besonders aber mit der Thematik, die bei vielen die aktuellen Ängste nährt.

Insgesamt ist The Thing We Leave Behind ein starker Roman, der nicht nur Fans von Dystopien anspricht, sondern auch all jene, die über Freiheit, Verantwortung und Menschlichkeit nachdenken möchten.

Reid, Taylor Jenkins -  Daisy Jones and The Six

Der Roman erzählt die fiktive Geschichte einer Rockband – von den ersten Schritten bis zum Leben als gefeierte Musiker. Inhaltlich geht es um alles, was man mit einer solchen Karriere verbindet: Musik, Ruhm, Drogen, Groupies und das oft exzessive Leben als Rockstar.

Ich hatte mir hingegen einen klassischen Roman erwartet. Stattdessen bekam ich ein Buch, das in Form fiktiver Interviews aufgebaut ist, mit kurzen Beiträgen verschiedener Bandmitglieder und anderer Beteiligter. Diese Art der Darstellung hat mich überrascht und war nicht ganz das, was ich mir erhofft hatte.

Nichtsdestotrotz ist das Buch interessant und unterhaltsam. Es vermittelt glaubwürdig den Rausch und die Schattenseiten des Musikerlebens. Die euphorische Begeisterung mancher anderer Rezensionen teile ich zwar nicht ganz – für mich ist es ein unterhaltsamer Roman, der eine besondere Atmosphäre und ungewöhnliche Thematik bietet. Für Musikliebhaber und alle, die einen Blick hinter die Kulissen des Rockstar-Lebens werfen möchten, ist es eine empfehlenswerte Lektüre.

 Boyle, T.C. - No Way Home

  T.C.Boyle entfaltet in No Way Home einen großen, detailreichen Roman, der die Leser tief in die menschlichen Abgründe führt. Im Zentrum steht der Arzt Terry, der nach dem Tod seiner Mutter in sein Elternhaus zurückkehrt. Dort trifft er auf Bethany, eine flüchtige Bekanntschaft, die mehr wird und sich kurzerhand im Haus einquartiert. Obwohl sie sich ungefragt einnistet, lässt Terry es geschehen - aus Faszination, Abhängigkeit und Begehren. Die Beziehung entwickelt sich jedoch nicht zu einem harmonischen Zusammenleben. Denn mit Jesse, Bethanys Ex-Freund, tritt ein weiterer Mann auf den Plan, der ebenso von ihr besessen isst. Aus dieser Dreieckkonstellation entsteht ein Geflecht aus Begierde, Rivalität und Selbsttäuschung. Boyle beschreibt diese Dynamik in gewohnt intensiver Manier: detailverliebt, atmosphärisch dicht und zugleich gnadenlos im Blick auf die Schwächen seiner Figuren. In dem Roman liegt Leidenschaft, Obsession, Nähe, Abhängigkeit, Liebe und Zerstörung. Ein psychologisch vielschichtiger Roman.