Dabos, Christelle - Die Spur der Vertrauten
Christelle Dabos entwirft in ihrem neuen Roman Die Spur der Vertrauten eine düstere Dystopie, in der das Wir über allem steht und das Ich keinen Platz hat. Individualität und Persönlichkeit sind ausgelöscht, stattdessen herrschen Konformität, Überwachung und ständiger Gruppendruck.
Die Handlung setzt bei den beiden Protagonisten an: Claire, Schülerin der Schule der Vertrauten, und Goliath, der kurz davorsteht, ein Tugendhafter zu werden. Gemeinsam beginnen sie, dem Verschwinden eines Mitschülers nachzugehen – eine Suche, die schnell zu einem gefährlichen Spiel wird und tief in die Strukturen dieser gleichgeschalteten Gesellschaft führt.
Dabos greift dabei große Themen auf: die Unterdrückung des Individuums, den Verzicht auf Persönlichkeit zugunsten der Gemeinschaft, die Macht der Überwachungssysteme und die philosophische Frage, wieviel Menschsein ohne „Ich“ überhaupt möglich ist. Diese Ideen verleihen der Geschichte eine nachdenkliche und leicht mysteriöse Atmosphäre.
Allerdings kommt der Roman nur langsam in Fahrt. Auf über 640 Seiten entfaltet sich eine komplexe, detailreiche Welt, doch gerade zu Beginn fehlte mir das gewisse Etwas – Spannung und Sogkraft bleiben zunächst zurückhaltend. Im weiteren Verlauf steigert sich die Handlung, und wer sich auf die Länge einlässt, wird mit einer sorgfältig durchdachten Dystopie belohnt.
Stilistisch und thematisch weist Die Spur der Vertrauten viele typische Merkmale des Genres auf, was für Fans vertraut und angenehm sein dürfte, zugleich aber wenig Überraschungen bietet. Für mich war es kein literarisches Highlight, sondern eher ein solider Roman, der durch seine Themen und seine philosophische Tiefe punktet, ohne wirklich zu glänzen.
Alles in allem , ein interessantes, nachdenkliches Buch mit wichtigen Fragen zu Identität, Gemeinschaft und Kontrolle. Für Liebhaber dystopischer Welten lohnend, wenn man Durchhaltevermögen mitbringt – aber nicht unbedingt ein Werk, das lange nachhallt.
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