Boyne, John - Erde
Mit Erde legt John Boyne den zweiten Band seines Element-Zyklus vor – einer Reihe von unabhängigen Romanen, die nur durch Motive und Schauplätze lose miteinander verbunden sind. Nach Wasser steht diesmal das Element Erde im Mittelpunkt, und wieder spielt die Handlung zum Teil auf einer kleinen irischen Insel, wo schon der Roman Wasser sich abgespielt hat.
Im Zentrum der Geschichte steht Evan, ein international gefeierter Fußballstar. Von außen betrachtet verkörpert er den Traum vieler: Ruhm, Geld und Anerkennung. Doch hinter der glänzenden Fassade verbirgt sich ein äußerst sensibler, zurückhaltender Mensch, der von einer schwierigen Vergangenheit geprägt ist. Seine Kindheit war von familiären Konflikten, insbesondere mit seinem Vater, überschattet. Auch seine Homosexualität, die für Evan sowohl eine Quelle der Selbstfindung als auch der Verunsicherung ist, durchzieht die Handlung als bedeutendes Thema.
Die erzählerische Struktur des Romans wechselt zwischen der Gegenwart – dominiert von einer aufwühlenden Gerichtsverhandlung um einen Vergewaltigungsprozess, in den Evan verstrickt ist – und Rückblenden, die Stück für Stück seine Lebensgeschichte offenlegen. Diese Passagen sind oft schwer auszuhalten: Sie zeigen ein Leben voller Schmerz, Identitätskrisen und emotionaler Brüche. Gerade diese Kontraste machen den Roman so intensiv und erschütternd.
Boyne gelingt es, menschliche Abgründe mit großer Empathie und sprachlicher Feinfühligkeit darzustellen. Erde ist kein leichtes Buch, sondern ein tiefsinniger, emotionaler Roman, der beim Lesen an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit führen kann. Er zwingt dazu, über Themen wie Schuld, Identität, Trauma und das Suchen nach dem eigenen Platz in der Welt nachzudenken.
Erde ist ein kraftvoller, bedrückender und zugleich berührender Roman, der lange nachhallt. Wer literarische Geschichten voller Tragik, psychologischer Tiefe und gesellschaftlicher Relevanz sucht, wird hier fündig. Eine klare Empfehlung – allerdings für Leserinnen und Leser, die bereit sind, sich auf schwere, nachdenklich stimmende Themen einzulassen.
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